Der Namensgeber (G. Streiter)
Georg Karl Ludwig Streiter wurde am 14. Dezember 1884 in Berlin geboren. Seine Mutter, Wilhelmine Dorothea Fass (geb. Schulz, 1844-1913), war als Wirtschafterin bei Carl Ludwig Streiter (1839-1919) tätig, der in Berlin-Mitte, Swinemünder Straße 1, einen kleinen Kolonialwarenladen unterhielt. Am 31. Juli 1885 schlossen beide standesamtlich die Ehe und Carl Ludwig Streiter erkannt Georg als Sohn an. beide waren evangelisch. Georg Streiter wurde dann, gemeinsam mit seiner Schwester Meta Lucia Johanna am 23. August 1885 in der Zionskirche zu Berlin evangelisch getauft.
Georg Streiter besuchte die Volksschule in Berlin, absolvierte eine Lehre in einer Textilwarenhandlung, arbeitete später als Bürogehilfe und Krankenpfleger im Dienste der Inneren Mission. Nebenbei besucht er theologische, volkswirtschaftliche und sprachliche Kurse sowie die Königliche Kunstschule in Berlin. Vom 15. September 1901 bis zum 1. April 1902 arbeitete er, gemeinsam mit Emil Bartsch, als Krankenpfleger im Johannesstift in Cracau/Magdeburg, den späteren Pfeifferschen Stiftungen. Georg Streiter war Mitbegründer einer gewerkschaftlichen Organisation des Krankenpflegepersonals auf christlicher Grundlage, des „Gewerkvereins der Krankenpfleger, -pflegerinnen und verwandter Berufe Deutschlands“, am 18. Oktober 1903, der sich nach seiner Gründung dem „Gesamtverband christlicher Gewerkschaften“ anschloss. Georg Streiter übernahm die Geschäftsführung des Gewerkvereins, ab November 1903 war er außerdem verantwortlicher Redakteur des Verbandsblattes „Der Krankenpfleger“.
Am 9. April 1907 heiratete Georg Streiter die Krankenschwester Elisabeth Mauss.
Als Schriftleiter, Geschäftsführer und später Vorsitzender des „Gewerkvereins“ war Georg Streiter ab 1907 der erste besoldete Funktionär des Verbandes, der den Namen „Deutscher Verband der Krankenpfleger und -pflegerinnen“ annahm. Im Jahr 1909 hatte der Verband 1.409 Mitglieder. 1913 in Nürnberg, 1919 in Berlin und 1922 in Würzburg wurde Streiter als Vorsitzender wiedergewählt. Der Verband verschrieb sich vor allem der Reform der beruflichen Krankenpflege, die er mit gewerkschaftlichen Mitteln erzielen wollte.
Von 1904 bis 1920 nahm Georg Streiter als Delegierter an allen Gewerkschaftskongressen des „Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften Deutschlands“ teil und wurde in den Ausschuss des Gesamtverbandes gewählt. Er setzte sich im November 1912 im „Gewerkschaftsstreit“ dezidiert für das Organisationsrecht christlicher, interkonfessioneller Gewerkschaften ein und trat auf Kongressen mit scharfen antisozialistischen Stellungsnahmen auf, außerdem propagierte er seit 1906 die stärkere Einbeziehung von Frauen in die christlichen Gewerkschaftsorganisationen.
Georg Streiter war von 1916 bis 1918 Leiter der Kriegsbeschädigtenfürsorge der christlich-nationalen Arbeiterbewegung, Mitglied des Brandenburgischen Landesbeirats der Kriegsbeschädigtenfürsorge, Mitglied des Beirates der Nationalstiftung für die Hinterbliebenen der im Krieg Gefallenen, außerdem war er als Berufsberater der Stadt Berlin für den Krankenpflegebedarf tätig. Er tat als Mitglied des Zentralkomitees des Roten Kreuzes Dienst in der freiwilligen Krankenpflege in Belgien, Polen und der Türkei.
Nach Kriegsende engagierte sich Georg Streiter für die Deutsche Volkspartei (DVP), als Mitbegründer und Zentralvorstandsmitglied, außerdem war er Mitglied der DVP-Ausschüsse für Arbeiterfragen und Kommunalpolitik sowie Mitglied des Vorstandes und des geschäftsführenden Ausschusses des Wahlkreisverbandes Berlin. Von Juni bis Juli 1920 sowie von März 1921 bis Mai 1924 war Streiter Abgeordneter des Deutschen Reichstages für die DVP. Er avancierte zum gesundheitspolitischen Sprecher der DVP und war Mitglied des 6. Ausschusses des Reichstages (Sozialpolitischer Ausschuss). Georg Streiter war darüber hinaus Landtagsabgeordneter in Preußen von 1926 bis 1928 sowie vom 20. März 1919 bis 1925 DVP-Stadtverordneter in Berlin.
Nach 1918 engagierte sich Streiter in politischen und protestantischen sozialpolitischen Gremien. So war er Beiratsmitglied des in Stockholm konstituierten „Forschungsinstituts für die wirtschaftsethischen Fragen“.
Nach der Novemberrevolution konnte der „Streiter-Verband“ nur in geringen Maß vom Mitgliederzuwachs der Gewerkschaften profitieren (1919: 2.500 Mitglieder). Am 5. September 1920 beschloss der erweiterte Hauptvorstand eine Namensänderung in "Deutscher Verband für die berufliche Kranken- und Wohlfahrtspflege". Gleichzeitig trat die Organisation dem (christlichen) "Gesamtverband deutscher Beamtengewerkschaften" bei. Die von Streiter herausgegebene Gewerkschaftszeitung führte seither den Untertitel: „Zeitschrift für die gesamte berufliche Kranken-, Irren- und Wohlfahrtspflege und die wirtschaftlichen Interessen der Beamten und Angestellten in Kranken-, Heil- und Pflegeanstalten, Universitäts- und Privatkliniken, Sanatorien, Kur-, Bade-, Massage- und Desinfektionsanstalten und im Fürsorge- und Erziehungswesen (einschließlich der Säuglings- und Kinderpflege)“.
1921 führten die christlich organisierten Krankenpfleger Fusionsgespräche mit dem „Zentralverband der Gemeindearbeiter und Straßenbahner“, die Fusion erfolgte zum 1. November 1922 des gleichen Jahres. Streiter leitete künftig das christliche Krankenpflegepersonal als Fachgruppe des „Zentralverbandes der Arbeitnehmer öffentlicher Betriebe und Verwaltungen“ und blieb für die „Deutsche Krankenpflege“ redaktionell zuständig. Seine Standardwerke „Die wirtschaftliche und soziale Lage der beruflichen Krankenpflege in Deutschland“ (1. Aufl. 1910, 2. Aufl., Jena 1924) und „Der Krankenpflegeberuf - kein Durchgangs-, sondern ein Lebensberuf! Ein Weckruf“ (Osterwieck 1925) waren wegweisend. Auf der Düsseldorfer Reichskonferenz am 4. September 1926 präsentierte er „Grundzüge für ein Reichskrankenpflegegesetz“. 1927 war Georg Streiter Mitbegründer der „Reichsarbeitsgemeinschaft des Krankenpflegepersonals im DBB“. In der „Rundschau für die deutsche Krankenpflege“ entwickelte Streiter die wirtschaftsfriedliche Programmatik dieser von den christlichen Gewerkschaften abgesplitterten Organisation. Gleichzeitig präsidierte er der „Deutschen Gesellschaft für Krankenpflege“, die sich der wissenschaftlichen Förderung der Krankenpflege durch Ausbildungs- und Fortbildungskurse zum Ziel gesetzt hatte.
Am 1. November 1944 wurde der Nazi-Gegner Streiter als hauptamtlicher Mitarbeiter des Roten Kreuzes nach einer Denunziation verhaftet und im Februar 1945 ins Konzentrationslager Ravensbrück eingeliefert. Dort wurde er, vermutlich im Frühjahr 1945, von der SS erschossen.
Der Verein Aktives Museum (www.aktives-museum.de) gestaltete die Ausstellung „Vor die Tür gesetzt. Im Nationalsozialismus verfolgte Berliner Stadtverordnete und Magistratsmitglieder“, die im Jahr 2005 im Berliner Rathaus und 2006 im Berliner Abgeordnetenhaus zu sehen war (www.vordietuergesetzt.de). Der Stuhl zur Erinnerung an Georg Streiter ist eine Dauerleihgabe des Museums an das Georg-Streiter-Institut für Pflegewissenschaft der Fachhochschule Jena und steht derzeit im Pflegestützpunkt Jena in der Goethegalerie.
Auswahl der Veröffentlichungen Georg Streiters
Streiter, Georg: Die wirtschaftliche und soziale Lage des Krankenpflegepersonals in Deutschland. Fischer, Jena, 1910.
Streiter, Georg: Das Geschlechtsproblem in der Krankenpflege, (= Kultur und Fortschritt. Neue Folge der Sammlung „Sozialer Fortschritt“. Hefte für Volkswirtschaft, Sozialpolitik, Frauenfrage, Rechtspflege und Kulturinteressen. 349/50). Dietrich, Gautzsch b. Leipzig, 1911.
Streiter, Georg: Rede vor dem Deutschen Reichstag. Deutsche Krankenpflege 19 (1922) 9, Seite 37-39.
Streiter Georg: Die wirtschaftliche und soziale Lage der beruflichen Krankenpflege in Deutschland, 2. Aufl. Fischer, Jena, 1924.
Streiter Georg: Der Krankenpflegeberuf - kein Durchgangs- sondern ein Lebensberuf. Ein Weckruf. 3. und 4. Aufl., Staude, Osterwieck 1925
Streiter, Georg: Die gegenwärtige sozialpolitische Lage der beruflichen Krankenpflege in Deutschland. Materialien zu einem Reichskrankenpflegegesetz. Deutsche Krankenpflege 24 (1926) 6, Seite 43-45; 7, Seite 49-51 und 8 Seite 58-59.
Streiter, Georg: Von der Internationalen Krankenpflegekonferenz in Genf. Deutsche Zeitschrift für Krankenpflege und Gesundheitsfürsorge 21 (1927) 9, Seite 111.
Streiter Georg: Erste internationale Konferenz für Wohlfahrtspflege und Sozialpolitik. Deutsche Zeitschrift für Krankenpflege und Gesundheitsfürsorge 22 (1928) 8, Seite 120.
Streiter, Georg: Die Krankenpflege endlich der Reichs-Unfallversicherung unterstellt. Deutsche Zeitschrift für Krankenpflege und Gesundheitsfürsorge 23 (1929) 1, Seite 4.
Streiter, Georg: Die Entwicklung der deutschen Kranken- und Wohlfahrtspflege. Vortrag gehalten in der Funkstunde Berlin. Deutsche Zeitschrift für Krankenpflege und Gesundheitsfürsorge 23 (1929) 1, Seite 4-6.
Quellen
Reichstagshandbuch, 1. Wahlperiode 1920, Berlin 1920, S. 339-340.