Erfahrungsbericht Universität Reims
Meine Erfahrungen im Erasmussemester an der Universität Reims
Vorbereitungen / Préparations
Nachdem ich zu Schulzeiten noch eher widerwillig französische Vokabeln gepaukt hatte, weckten ein Urlaub an der französischen Atlantikküste und eine Backpacking-Reise durch den Süden Frankreichs meine Begeisterung für unser südwestliches gelegenes Nachbarland. So ging ich gleich zu Beginn meines BWL-Masters in Jena zum internationalen Büro: Ziel Frankreich.
Die Ernst-Abbe-Hochschule stellte mir im Erasmusprogramm zwei Partnerunis zur Auswahl.
Ich konnte wählen zwischen Reims, einer Stadt im Norden Frankreichs mit ca. 200.000 Einwohnern und Paris. Nach zwei Telefonaten mit ehemaligen Erasmus-Studenten, die diese Städte gewählt hatten, traf ich die Entscheidung für Reims, die Hauptstadt der Champagne. Die exorbitanten Mieten in Paris hätten mich zu tief in die Schulden getrieben und die Partner-Uni in Paris bot ihre Kurse hauptsächlich auf Englisch an. Mein Ziel war es jedoch nach diesem Aufenthalt fließend Französisch zu sprechen. Dafür brauchte ich möglichst viel Kontakt mit Franzosen und deren Sprache. Die Internationalität der Hauptstadt hätte dem auch entgegengestanden. Denn ich hätte auch im Alltag vermutlich oft Englisch benutzen können und so dementsprechend weniger Zeit um mein Französisch einzuüben. Reims bot mir nun Uni-Kurse auf Französisch und eine kleine Stadt in der ich stets auf mein Französisch angewiesen sein würde.
Meine Bewerbung für den Erasmus-Platz in Reims wurde angenommen. Soweit ich weiß, war ich auch der einzige, der sich in diesem Jahr für ein Frankreich-Semester beworben hatte.
Unterkunft / Logement
So konnte ich mich nun auf die Suche nach einer Wohnung machen. Das Französisch-Lernen stand auch hier im Vordergrund und so lehnte ich ein preiswertes Angebot des Studentenwerks für ein Zimmer im Wohnheim ab. Statt rund 300 Euro zahlte ich nun 465 Euro für ein Zimmer in einer privaten WG. Mein Gedanke war, dass ich im Wohnheim vermutlich nur wenig Kontakt zu Franzosen und deren Sprache haben werde, da die Wohnheime eher internationale Studenten beherbergen. Auch besteht dort allgemein weniger Kommunikation unter den Bewohnern. Diese Vermutungen bestätigten sich im Nachhinein. So wohnte ich nun in einer 9er-WG voller Franzosen und lernte über die Zeit hinweg viel der echten französischen Lebensart kennen. Von diversen Wein- und Käsesorten, über französisches Raclette bis hin zu elsässischem Bier. Doch auch die Politik, wie das Aufflammen der Gelbwesten erlebte ich kommentiert durch meine französischen Mitbewohner. Der Plan ging auf. Ob ich wollte oder nicht, um mich in der WG zu verständigen, war ich ständig gezwungen Französisch zu sprechen.
Universität / La Fac
Die Organisation an der Uni war in Ordnung. Ich hatte es schlimmer erwartet. Die Sekretariate der Fachbereiche waren in allen Fragen immer sehr hilfsbereit. Die Erasmusbürokratie (Learning Agreement) war aufwendig, doch funktionierte mit allen Beteiligten. Modifikationen des Learning Agreements wegen Kursplanänderungen waren jedes Semester notwendig.
Die Professoren hielten in ihren Kursen oft stundenlange Monologe. Eine Kurslänge von drei Stunden war oft die Regel. Der französische Student hat auch allgemein mehr Präsenzzeiten als in Deutschland, wobei alle Kurse mit Anwesenheitslisten kontrolliert werden. Als Erasmusstudent der mit einem B1-Niveau ankam, brauchte ich etwa das 3-4fache an Aufwand für dieselbe Note im selben Kurs wie ein Franzose. Der Schwierigkeitsgrad der Kurse und schließlich auch der Prüfungen ist nicht zu unterschätzen. Er stand dem meines deutschen BWL-Masters in nichts nach.
Meine Kommilitonen waren erstaunlich offen und freundlich. Hier muss man aber dennoch zwischen den Nordafrikaner bzw. Afrikanern und den lokalen Franzosen unterscheiden. Erstere waren teils selbst für den Master neu ins Land gekommen und waren wesentlich kommunikativer und man traf sich sogar abends mal auf ein Bier. Die lokalen Franzosen waren verschlossener, aber auch hier konnte ich Kontakte knüpfen und lernte viele sympathische Remoises (Bewohner der Stadt Reims) kennen. Hilfreich zum Kontakte knüpfen mit Franzosen war bspw. ein tandem linguistique (Sprachtandem).
Entgegen dem Ruf der französischen Haute Cuisine servierte die Mensa der Uni Reims doch sehr spartanische Gerichte. Für 3,25 Euro bekam man hier ein Menü.
Erasmusleben / La Vie Erasmus
Wir bekamen gleich in der ersten Woche eine Einführungswoche von der Uni. Hier zeigte uns Alpin und sein Team die Uni und wir konnten Champagner, das regionale Produkt, direkt bei den Erzeugern in den Weinbergen verkosten. Unser Erasmusjahr wurde begleitet von Begrüßungsbuffets, Kinoabenden und internationalen Festen. Besonders wichtig war für mich die Erasmus-Community, eine Gruppe aus rund 60 Erasmusstudenten, die parallel zu mir ihr Erasmussemester begann und aus aller Herren Länder kam. Es waren ausnahmslos nette und offene Menschen, die ich hier kennenlernte. An einem unserer ersten Abende zählten wir durch: wir waren 20 Personen aus 14 verschiedenen Ländern. Ein Syrer, eine Rumänin, ein Slowake, eine Polin, eine Schottin, ein Marokkaner, ein paar Italiener und Spanier und viele weitere. Diese Nationalitäten einmal in dieser offenen Atmosphäre direkt kennenzulernen war mit eine der schönsten Erfahrungen. Glücklicherweise war ich der einzige Deutsche. So kam ich nicht in Versuchung mich aus Bequemlichkeit nur mit meinen Landsleuten auf Deutsch zu unterhalten.
In einer Whatsapp-Gruppe verabredeten sich die Erasmusstudenten etwa jeden zweiten Tag zu Unternehmungen, Nachmittagen im Park oder Abenden in der Bar.
Nach zwei Semestern habe ich einige internationale Freundschaften in Europa, aber auch darüber hinaus geschlossen. Im abschließenden Fragebogen wurde die Frage gestellt, ob man sich nun europäischer fühle nach dem Aufenthalt. Nach all diesen Erfahrungen konnte ich das bejahen.
Finanzen / Finances
Die Kosten für Lebensmittel sind etwa ein Drittel höher. Die Mieten in Reims waren im Wohnheim 250-300 Euro pro Monat und auf dem freien Markt etwa 350 Euro pro Monat für ein WG-Zimmer.
Das Erasmusstipendium ist eine große Unterstützung. Zudem gewährt einem der französische Staat ein Wohngeld in Höhe von rund 100 Euro pro Monat, welches man sofort im ersten Monat beantragen sollte, da es nicht rückwirkend ausgezahlt wird.
Fazit / Conclusion
Zusammenfassend kann ich ein Erasmussemester in Frankreich an der Uni Reims empfehlen. Auch wenn manchem die Stadt zu provinziell war. Man kann in dieser Umgebung große Fortschritte in der Sprache erreichen. Ich persönlich konnte mein Sprachniveau von B1 auf C1 heben. Dafür bedarf es aber gewisser Umstände die einen zwingen die Sprache anzuwenden (frz. Vorlesung, frz. WG, frz. Sprechen unter Erasmusstudenten). Erasmus ist eine besondere Erfahrung, speziell wenn man Freude am Kennenlernen neuer Kulturen hat. Aus Berichten anderer Studenten weiß ich, dass das Bestehen der französischen Kurse nicht immer ganz einfach ist. Um ein Studium in einer Fremdsprache zu absolvieren sollte man mindestens ein B1 Sprachniveau mitbringen und selbst damit wird es schwierig. Für mich war das Jahr in Frankreich eine sehr prägende Erfahrung, an die ich noch lange Zeit, viele schöne Erinnerungen haben werde. Dankbar bin ich der Uni Reims und der EAH Jena für die Unterstützung bei der Organisation.
Autor: Kai von Linden