Best Practice Beispiel: Ereignisorientierte prüfungsrelevante Lernziele (EPL) im Modul Informatik
Kurzbeschreibung
Die Methode EPL wird ausführlich beschrieben in: (Wieczorek und Ulrich 2022). Sie ist an das „klassische“ Constructive Alignment angelehnt, setzt dieses jedoch systematisch
- je Lerneinheit (bezeichnet als Ereignis),
- je einzelnem Lernziel
um. Dies soll zu einer hohen Transparenz hinsichtlich der Prüfungsanforderungen führen und eine zielgenaue Prüfungsvorbereitung ermöglichen. Jedem Lernziel der Veranstaltung werden dabei die Ereignisse zugeordnet, die im Dienste der Erreichung dieses Lernziels stehen.
Den Studierenden liegt diese Zuordnung in zwei Formaten vor:
- Es steht eine tabellarische Übersicht in einem pdf-Dokument zur Verfügung (s. Abbildung 1).
- Zusätzlich gibt es einen Fragebogen in Moodle, wo für jedes Lernziel die Selbsteinschätzung zum Stand der Erreichung gespeichert werden kann (s. Abbildung 6). Insbesondere in diesem Format können Studierende die EPL als konstantes Feedbackinstrument zu ihrem Lernstand nutzen, was sich positiv auf ihr Lernergebnis auswirken kann.
Wesentlich ist dabei die operationalisierte Formulierung der Lernziele, um unmittelbar mögliche Prüfungsaufgaben ableiten zu können.
Zur Beschreibung der verschiedenen in den EPL verwendeten Ereignisse:
Im konkreten Beispiel werden sowohl Ereignisse des Präsenz- wie auch Selbststudiums einbezogen. Der Einbezug des Selbststudiums ist im Allgemeinen aber nicht notwendig, um EPL zu erstellen. Im hier genannten Modul erfolgt die hauptsächliche Vermittlung von Inhalten in Vorlesungen (V). Dabei werden aktivierende Elemente wie kurze Programmierübungen und Klicker-Fragen einbezogen. Eine Vertiefung und Erweiterung erfolgt im Selbststudium zunächst in Form von Nachbereitungsaufgaben (VNb) zur Vorlesung, welche im Learning-Management-System Moodle zur Verfügung stehen und automatisiert ausgewertet werden.
Der Schwerpunkt auf praktische Programmierung wird in Praktika bzw. Übungen gelegt, die Aufgaben befinden sich auf Übungsserien. Diese bestehen aus Vorbereitungsaufgaben (ÜVb), die im Selbststudium bearbeitet werden, und Präsenzaufgaben (ÜPr).
Daraus ergeben sich die Bezeichnungen V, VNb, ÜVb sowie ÜPr für die Ereignisse des Moduls. Aufgaben in der Prüfung (hier: Klausur) werden schließlich anhand der Lernziele aus den EPL formuliert.
Vorgehensweise/Einsatzszenario
Verfahrensschritte
Die EPL müssen von der Lehrperson erstellt und anschließend den Studierenden zur Verfügung gestellt werden. Im Idealfall findet dies alles im Rahmen der Planung der Lehrveranstaltung statt. Realistischer ist allerdings, zumindest bei der erstmaligen Erstellung der EPL, die Lernziele und zugehörigen Ereignisse während der Durchführung eines Moduls schrittweise zu erfassen. So kann man diese auch für bereits lange bestehende Module einführen.
Die Erstellung der EPL kann in vier Schritten erfolgen:
1. Ereignisse definieren
Ein Ereignis steht im Dienst der Erreichung eines oder mehrerer Lernziele. Es sollte konkret genug sein, dass dessen Verknüpfung mit einem Lernziel die effiziente Prüfungsvorbereitung unterstützt. Je nachdem, ob sich eine Modulprüfung nur über einen Veranstaltungstyp erstreckt, z.B. eine Vorlesung, oder ob mehrere Typen wie Vorlesung, Seminar oder Praktikum inbegriffen sind, können zum Beispiel einzelne Termine (z.B. V 15) oder konkrete Aufgaben (z.B. Ü 10.1) daraus als Ereignis dienen. Ebenso können Kapitel eines Skripts adressiert werden. Sind konkrete Aufgaben für das Selbststudium (z.B. VNb 15.1) vorhanden, können auch diese einbezogen werden.
2. Lernziele erfassen
Die ermittelten Ereignisse werden nun hinsichtlich ihrer Lernziele analysiert. Dabei werden für jedes Ereignis die dort adressierten Lernziele erfasst. Um danach die prüfungsrelevanten Lernziele zu extrahieren, ist generell auf eine operationalisierte Formulierung zu achten, d.h. ein Lernziel muss so formuliert sein, dass messbar ist, ob es erreicht wurde (Ulrich, 2020, S. 47).
3. Prüfungsrelevante Lernziele extrahieren und Ereignisse zuordnen
Aus den vorhandenen Lernzielen werden nun die prüfungsrelevanten extrahiert. Für jedes dieser prüfungsrelevanten Lernziele werden alle zugehörigen Ereignisse zusammengefasst. Im Rahmen dieses Schrittes kann auch ermittelt werden, ob Ereignisse vorliegen, z.B. bestimmte Übungsaufgaben, die kein prüfungsrelevantes Lernziel adressieren. So kann entschieden werden, ob dieses Ereignis eventuell entfernt wird. Auch Lernziele, die nicht ausreichend mit Ereignissen untersetzt sind, können so identifiziert werden.
4. Prüfungsaufgaben anhand der EPL entwerfen
Aus operationalisiert formulierten Lernzielen können unmittelbar Prüfungsaufgaben abgeleitet werden.
Beispiel am Lernziel A.1.a
Das Lernziel A.1.a) lautet „Sie können ein Objekt als Instanz einer im Klassendiagramm oder Quelltext gegebenen Klasse durch Aufruf des Konstruktors erzeugen“. Im nachfolgenden Beispiel wird dieses Lernziel in verschiedenen Ereignissen erarbeitet.
Die Einführung der Inhalte erfolgt in Vorlesung V 15, eine erste Sicherung des Lernergebnisses erfolgt während V 15 mit einer sich anschließenden interaktiven Aufgabe mit Klickern (s. Abbildung 2).
In der Nachbereitung von Vorlesung 15 werden interaktive Moodle-Tests verwendet (s. Abbildung 3), hier ist der korrekte Befehl aus einer Reihe von vorgegebenen auszuwählen.
In Übungsserie 9 (s. Abbildung 4) ist der entsprechende Programmier-Befehl selbst zu erstellen.
In Abbildung 5 ist eine entsprechende Prüfungsaufgabe dargestellt.
Durch diese und die weiteren in den EPL genannten Ereignisse kann das Lernziel erreicht werden und die Messung ist möglich.
Fragebogen zur Selbsteinschätzung für Studierende
Um die Studierenden bei der Prüfungsvorbereitung zu unterstützen, liegen die EPL auch in einem Fragebogen-Format im Moodle-Kurs vor. Die Studierenden können hiermit bereits ab Beginn des Moduls ihre Selbsteinschätzung zu den einzelnen Lernzielen erfassen und speichern. Der Fragebogen ist nur für die Studierenden selbst gedacht und soll nicht abgegeben werden.
Didaktische Herausforderungen
- Analyse der Ereignisse eines Moduls und Erfassung von Lernzielen, die durch die Ereignisse adressiert werden
- Operationalisierte Formulierung der Lernziele
- Genügend konkrete Formulierung der Ereignisse
Medien
- Lernmanagementsystem Moodle zur Bereitstellung von EPL in zwei Formaten:
- als pdf-Dokument (als Übersicht zum Ausdrucken, vgl. Abbildung 1)
- Fragebogen (Moodle-Aktivität „Befragung“ – zur Speicherung des aktuellen Lernstands für die Studierenden zur Selbsteinschätzung vgl. Abbildung 6)
- Klicker zur Aktivierung während des Ereignisses „Vorlesung“
Wie stark werden folgende Kompetenzen auf einer Skala von 1-10 gefördert?
Die Methode dient dazu, die in der jeweiligen Lehrveranstaltung angestrebten Kompetenzen zu fördern, indem diese explizit genannt und mit entsprechenden Ereignissen verknüpft werden. Prinzipiell können daher beliebige Kompetenzen gefördert werden, wenn diese in einer Veranstaltung mit entsprechenden Ereignissen untersetzt sind.
Mit welchem Ziel wurde dieses Konzept erstellt?
Die EPL zielen darauf ab, einerseits den Studierenden eine exakte Übersicht der notwendigen, zu erreichenden Lernziele für die Leistungsprüfung zu geben.
- Frühzeitige größtmögliche Transparenz hinsichtlich der Prüfungsanforderungen
- Ermöglichung gezielter Vorbereitung der Prüfung durch Studierende bereits ab Beginn des Moduls (durch Lernziele, wo zugehörige Ereignisse am Anfang stehen), dadurch Reduzierung des Aufwands unmittelbar vor der Prüfung
- Für Studierende Erfassung der Selbsteinschätzung (in übersichtlichtem Fragebogen-Format) zur Erhöhung der Effizienz der Vorbereitung. Lücken können gezielt geschlossen werden.
- Daneben bieten sie den Lehrenden
- ein Werkzeug zur effizienten Erstellung von Prüfungen
- eine Planungshilfe, weil sichtbar ist,
- ob die aufgeführten Lernziele genügend Ereignisse besitzen
- ob die aufgeführten Lernziele tatsächlich den Kompetenzen entsprechen, die im Modul erreicht werden sollen.
Wie hoch ist der Arbeitsaufwand für Lehrende auf einer Skala von 1-10?
Vor der Veranstaltung
Während der Veranstaltung
Nach der Veranstaltung
Bewertung/Prüfungsleistung: Wie wurde der Leistungsnachweis erbracht?
- Klausur mit Prüfungsaufgaben, die anhand der EPL entworfen wurden (siehe Abbildung 5 im Punkt „Vorgehensweise/Einsatzszenario“)
Erste Evaluationsergebnisse der Methode
Die Auswertung von zwei Studierendenbefragungen im Sommersemester 2020 und 2021 ergab, dass die EPL ähnlich intensiv genutzt werden wie die Übungsserien und Nachbereitungsaufgaben, mehr genutzt werden als Vorlesungsvideos, Fachbücher und Internet-Tutorials, und weniger als Beispielklausuren und eigene Mitschriften. Dies deutet darauf hin, dass die EPL eine sinnvolle Ergänzung der bisherigen Lernmedien zur Prüfungsvorbereitung darstellen.