Auf dem „highway to hell”?
(21. Juni 2019) Wie eng ökologische mit gesellschaftlichen Konflikten verzahnt sind, diskutierten die Professoren Dr. Klaus Dörre (Professor für Soziologie der FSU Jena) und Dr. Thomas Sauer (Professor für Betriebswirtschaft an der EAH Jena) am 18. Juni im Jenaer Klimapavillon.
Fragen können zu dem Thema nicht genug gestellt werden: Was hat die CO2-Problematik mit der Gesellschaft, der Politik und dem Einzelnen zu tun? Sind wir nachhaltig genug, beziehungsweise was können wir tun? Die Wissenschaftler suchen nach Antworten.
Der Soziologe Dörre formulierte dazu eine These: „Frühindustrialisierte Gesellschaften – auch die Bundesrepublik und Thüringen – befinden sich in einer ökonomisch-ökologischen Zangenkrise und durchlaufen eine Große Transformation“. So läuft die „Erzeugung von Wirtschaftswachstum … nur über die Steigerung der ökologischen Gefahr“ und wir alle befinden uns damit auf dem „highway to hell“.
Denn das Ansteigen des CO2-Ausstoßes stünde in direkter Korrelation zum Wirtschaftswachstum. Sichtbar wurde die Korrelation laut Dörre z. B. in einer Studie der Weltbank, die für das Jahr 2009 in den Zeiten der Wirtschaftskrise einmalig einen Rückgang der globalen CO2-Emissionen verzeichnete. Wenn diese Korrelation also wirklich besteht, dann befinden wir uns mit dem Wunsch und dem Handeln nach mehr ökonomischen Wachstum in der Zange, denn damit können wir die Klimakrise nicht beenden.
Wie sehr die Politik, die Gesellschaft, aber auch der einzelne Mensch das ökologische System beeinflussen, zeigt auch die Gelbwestenbewegung in Frankreich. Die Akteure haben mit ihrem Aufstand gegen die Erhebung der CO2-Steuer deutlich gemacht: Eine Änderung der ökologischen Situation geht nicht ohne den Menschen. Er ist Teil des Systems. Und mit dem Blick auf das System, so Thomas Sauer, ist auch in dieser Bewegung nicht nur ein Faktor entscheidend.
Sauer zeigte er auf, dass im Gelbwesten-Konflikt nicht nur die CO2-Steuer zum Konflikt führte, sondern dass ein Konglomerat aus Motiven hineinspielte. Neben Gründen wie z. B. das erhöhte Misstrauen gegen den Staat, steigende Ölpreise, die stagnierende Kaufkraft und insbesondere die Abschaffung der Vermögungssteuer durch die Politik, sieht er vor allem die „Ungleichheit der Lebenssituationen in den Zwischenräumen von Stadt und Land“.
Aus seiner Sicht liegen die Brennpunkte des Konfliktes in der regionalen Verteilung, die wiederum mit dem Maß der Urbanisierung korrelieren. Die Verstädterung stelle den „wichtigsten Ökonomisierungsfaktor“ dar und gerade in den „abgehängten“ ländlichen Räumen wäre die Gegenwehr der Gelbwesten deutlicher zu spüren, stellte Sauer fest. In zwei Fragen fasste er zusammen: „Muss Klimapolitik auch sozial sein? Muss Klimapolitik auch ortsbezogen sein?“ Seine Antwort: „Ja. Eine Lösung könnte ein Green New Deal sein“. Dieser Ansatz verfolgt die Idee, durch eine Kombination von staatlichen und staatlich geförderten Investitionen plus sozialpolitischen Maßnahmen eine sozial-ökologische Transformation in Gang zu setzen. Können also, wie Professor Sauer es fordert, gemeingutorientierte Projekte und gemeinwohlorientierte Unternehmen sowie dezentrale Konzepte der Energiewende wichtige Bausteine eines gestaltenden Staates im Rahmen einer guten Klimapolitik sein?
Professor Dörre resümierte: „Ohne soziale ist ökologische Nachhaltigkeit nicht zu haben“. Der Weg ginge aus seiner Sicht über Verbindlichkeit und entsprechende Konsequenzen bei Nichteinhaltung. Er fordere daher die Integration der Nachhaltigkeitsziele in die Verfassung.
Franziska Krieg / sn
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