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Die Wirtschaft muss rasch umsteuern

​Jena (29.07.20) 13 Prozent der Thüringer Unternehmen sehen aufgrund der aktuellen Krise ihre Existenz gefährdet, 22 Prozent zumindest teilweise. Das ist eines der besorgniserregenden Ergebnisse einer neuen Studie, des ZeTT-Radars, die am 28. Juli an der Friedrich-Schiller-Universität Jena vorgestellt wurde.

Keine Entspannung der angespannten Lage erwartet

Ein Team vom „ZeTT – Zentrum Digitale Transformation“ hat im Juni bei 388 Thüringer Unternehmen die Führungsebene befragt, wie die aktuelle Lage des Unternehmens ist und welche Annahmen sie für die Zukunft haben. Fast zwei Drittel der Befragten erwarten keine Entspannung der angespannten Lage. Die Skepsis ist vom Wirtschaftszweig abhängig: Sie ist im verarbeitenden Gewerbe besonders groß, während die IT-Branche recht hoffnungsfroh ist. Über Veränderungen wird in den meisten Unternehmen nachgedacht, aber dies wird nur selten durch betriebliche Investitionen unterfüttert. Und wenn es Investitionen gibt, dann fließen die Mittel vor allem in digitale Lösungen oder Services, präsentierte Dr. Thomas Engel, Soziologe der Uni Jena und Geschäftsführer des ZeTT, die Ergebnisse. Die umfangreichen Befunde und Analysen sind der Öffentlichkeit zugänglich unter: zett-thueringen.de/zett-radar/.

Tipps für Politik und Unternehmen

Das Team um den Soziologen Prof. Dr. Klaus Dörre von der Universität Jena und Prof. Dr. Heike Kraußlach von der Ernst-Abbe-Hochschule Jena beließ es aber nicht bei der reinen Bestandsaufnahme. Stellvertretend für das Team stellte Dörre wirtschafts- und industriepolitische Schlussfolgerungen vor. „Die Lage ist schwierig, vor allem unübersichtlich für Management und Belegschaften“, verwies der Wirtschafts- und Arbeitssoziologe auf die Gemengelage aus aktuellen und bereits zuvor herrschenden Krisen. Strukturveränderungen waren bereits vor Corona notwendig: mehr Digitalisierung, mehr Nachhaltigkeit, die Umsteuerung in der Autoindustrie sind nur einige Themen. Daher sei eine schnelle wirtschaftliche Erholung nicht in Sicht. „In der Autoindustrie werden nicht alle Arbeitsplätze erhalten bleiben“, nennt er ein Beispiel, warum eine Konversion notwendig ist, um Unternehmen und Arbeitsplätze zu erhalten. Ihm sei bewusst, dass etwa ein Fräser nicht problemlos auf Krankenpfleger umgeschult werden könne, aber ein Wandel in der Arbeitswelt sei zwingend erforderlich. Dafür brauche es geeignete Weiterbildungsangebote – auch an den Hochschulen.
Und auch das gerade von vielen Menschen durchlebte Homeoffice habe zwar seine guten Seiten, etwa eine flexiblere und entspanntere Arbeitszeit und keinen Arbeitsweg. „Aber niemand will digitaler Einsiedler werden“, so Dörre mit Blick auf den Menschen als ein soziales Wesen. Und auch in diesem Bereich erlebten die Menschen derzeit einen deutlichen Wandel, weil Kultur und soziale Aktivitäten wegbrechen – wichtige Bestandteile des Lebens.

Unkonventionelle Lösungen sind notwendig

Dörres Plädoyer vor allem, aber nicht nur an die Politik: Integrierte Konzepte für die Zukunft sind jetzt zu entwickeln. Und wenn die Krise anhält, wovon die meisten Unternehmen ausgehen, dann „sind unkonventionelle Lösungen notwendig“. Das können auch staatliche Beteiligungen an strategisch wichtigen Unternehmen sein. Da das Geld aber nicht für alle reicht, müsse das Land sich endlich trauen, Prioritäten zu setzen – und das unabhängig von dem immer einsetzenden öffentlichen Geschrei.
Prof. Dörre sieht seine Ausführungen „als eine Reihe von Vorschlägen“. Dies zeigte auch die nachfolgende Vorstellung von Positionen aus Wirtschaft und Gewerkschaften, die sich nicht immer mit denen von Dörre deckten. Einig war man sich dabei, dass es rasche Weichenstellungen für die Transformation durch die Politik geben müsse.

Mit den neuen Analysen des ZeTT ist die Diskussion wieder eröffnet. Allzulange sollte aber nicht geredet, stattdessen gehandelt werden. Und dies gelte nicht nur für Thüringen, sind sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des ZeTT-Radars sicher. Sie halten die Befunde und Analysen für übertragbar auf andere Bundesländer.
Wie sich die Thüringer Wirtschaft weiterentwickelt, wird sich bei der im Oktober 2020 startenden Quartalsumfrage zum ZeTT-Radar zeigen.

 

Pressemitteilung der Universität Jena

 

ZeTT
Fünf Partner aus Wissenschaft und Beratung haben sich zum ZeTT – Zentrum Digitale Transformation Thüringen zusammengeschlossen, das zu Jahresbeginn seine Arbeit aufgenommen hat. Zum ZeTT gehören die Ernst-Abbe-Hochschule, die Friedrich-Schiller-Universität, die TU Ilmenau, Arbeit und Leben Thüringen sowie das IWT – Institut der Wirtschaft Thüringens GmbH. Das Projekt „ZeTT“ wird im Rahmen der Förderrichtlinie „Zukunftszentren – Unterstützung von KMU, Beschäftigten und Selbstständigen bei der Entwicklung und Umsetzung innovativer Gestaltungsansätze zur Bewältigung der digitalen Transformation“ durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Europäischen Sozialfonds gefördert und vom Thüringer Arbeitsministerium unterstützt.


Kontakt:
ZeTT – Zentrum Digitale Transformation Thüringen
Ziegelmühlenweg 1
07743 Jena
Tel.: 03641 / 945529
E-Mail: info@zett-thueringen.de