Latchup – Abenteuer kosmische Strahlung
(10. Juli 2017) Ab August dieses Jahres erhält der Fachbereich Elektrotechnik und Informationstechnik der Ernst-Abbe-Hochschule (EAH) Jena für das Forschungsprojekt LUNTE eine Förderung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Prof. Dr. Burkart Voß, der unter anderem für die Lehrgebiete „Raumfahrtsysteme“ und „Elektronikdesign für Weltraumanwendungen“ zuständig ist, erläutert die zukünftigen Vorhaben seiner Forschungsgruppe: „Im Weltraum herrschen rauhe Bedingungen, wie extreme Temperaturwechsel, Vakuum und nicht zuletzt die kosmische Strahlung, vor der wir auf der Erde durch das Erdmagnetfeld abgeschirmt werden. Die kosmische Strahlung, die aus sehr schnellen Ionen besteht, wirkt auf elektronische Bauteile wie Gift. Ein einzelner Treffer eines schweren Ions kann im Bauteil einen Kurzschluss auslösen, der zur Zerstörung des Bauteils führt, wenn der Kurzschlussstrom nicht unterbrochen wird. Dieser Effekt wird Latchup genannt“.
Um trotzdem ohne Ausfälle auf Satelliten zu funktionieren, werden elektronische Bauelemente speziell für Anwendungen im Weltraum entwickelt und hergestellt. Das funktioniert recht gut, so der Wissenschaftler, allerdings sei es teuer.
Wegen der relativ kleinen Nachfrage nach solchen Bauelementen werden in der Regel auch ältere Technologien zur Herstellung eingesetzt, was die Leistungsfähigkeit der integrierten Schaltkreise extrem beschränkt. Wenn nicht speziell für den Weltraum qualifizierte Bauteile verwendet werden sollen, muss das System so gebaut werden, dass die Bauteile vor Zerstörung geschützt sind und dass (temporäre) Ausfälle der Bauteile toleriert werden. Das kann man mit entsprechenden Redundanzkonzepten und Schutzschaltungen gegen den Latchup erreichen.
Um solche Schutzmaßnahmen entwickeln und testen zu können, muss es jedoch möglich sein, die Effekte kosmischer Strahlung auch im Labor zu erzeugen. Das geschieht üblicherweise mit Teilchenbeschleunigern – eine sehr aufwendige und kostenintensive Methode.
Hannes Zöllner, Doktorand von Professor Voß und Professor Klaus Brieß von der TU Berlin, konnte im Rahmen seiner kooperativen Promotion einen solchen Laboraufbau umsetzen. Der junge Wissenschaftler erklärt: „Da durch die schweren Ionen der kosmischen Strahlung letztlich Energie im Bauteil deponiert wird, habe ich untersucht, ob man den Latchup-Effekt, der das Bauteil zerstört, nicht auch dadurch erzeugen kann, dass man Energie mit Hilfe eines kurzen Laserpulses in das Bauteil bringt. Das klappte, nachdem eine Gruppe Masterstudenten und ich das Gehäuse des integrierten Schaltkreises aufgeätzt haben.“
Hannes Zöllner stellte fest, dass der Laserpuls sogar mit einer Laserdiode funktioniert, wie sie z.B. in DVD-Brennern eingebaut ist. Bei seinem kompakten Laboraufbau lässt sich der Latchup-Effekt relativ reproduzierbar mit geringem Aufwand erzeugen.
In dem neuen, von der DLR für drei Jahre geförderten Anschlussprojekt will die Forschungsgruppe von Prof. Dr. Voß und Hannes Zöllner den entwickelten Laboraufbau für die Entwicklung von Latchup-Schutzschaltungen nutzen.
Der Aufbau ermöglicht, bei einer relativ großen Anzahl von Mikrocontrollern mit entsprechenden Streuungen der Parameter unter anderem die Zeitdauer zu messen, bis ein Latchup das Bauteil zerstört hat. Die Wissenschaftler konzentrieren sich auf die Zeit, die zum Abschalten des Latchupstromes benötigt wird, und entwickeln daraus gezielt eine Latchup-Schutzschaltung, die den Effekt erkennt und rechtzeitig abschaltet. Nach dem Aufbau der Schutzschaltung wird diese dann ausgiebig getestet – da die Raumfahrtelektroniker der EAH Jena Latchups kostengünstig erzeugen können.
„Vor diesen Messungen“, so Burkart Voß, „muss allerdings erst noch etwas am Testaufbau verbessert werden. Herr Zöllner und ich planen einen Autofokus des Laserlichtes auf die Oberfläche des integrierten Schaltkreises. Dazu kommt auch ein Scanner, der eine automatische Positionierung erlaubt, um immer die gleiche Stelle auf dem IC ‚beschießen‘ zu können.“
In diese Umsetzung bindet der Wissenschaftler auch seine Masterstudenten ein, da diese alles, was sie in ihren Vorlesungen theoretisch hören, auch praktisch anwenden sollen. „Übrigens machen auch unsere Bachelorstudentinnen und -studenten der Elektrotechnik/Informationstechnik in diesen Forschungsfeldern bereits ihre ‚ersten Schritte‘. Die Studenten sind begeistert bei der Sache“, so der junge Professor.
Prof. Dr. Burkart Voß / sn
Kontakt: Prof. Dr. Burkart Voß
burkart.voss@eah-jena.de