Wie die „unendliche Geschichte der Digitalisierung“ gelingen kann – Fachtagung des Zentrums Digitale Transformation Thüringen (ZeTT) an der EAH Jena
Die Tagung startete mit zwei informativen Impulsvorträgen. Florian Köhler vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales erläuterte, wie die deutsche Fachkräftestrategie im Zukunftszentren-Programm des Bundes umgesetzt wird. Das Projekt ZeTT wird als eines von 14 Zukunftszentren bis 2026 mit über acht Millionen Euro gefördert. Er wies darauf hin, dass es Aufgabe der Zukunftszentren sei, vor allem kleine und mittlere Unternehmen und ihre Beschäftigten im digitalen Wandel zu unterstützen. Die Teilprojekte im Projekt werden von den drei Thüringer Hochschulen, der EAH Jena, die zudem Antragstellerin ist, der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Technischen Universität Ilmenau sowie den zwei Praxispartnern Arbeit und Leben Thüringen e.V. und Industrie- und Handelskammer Erfurt bearbeitet.
Prof. Dr. Michael Behr vom Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie sprach in seinem Vortrag „Von der ausschöpfenden Gesellschaft zur erschöpften Arbeitsgesellschaft in Thüringen“ über aktuelle Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt. Thüringen schwenke mit der fortschreitenden Digitalisierung und Transformation in einer Zeit erhöhter altersbedingter Abgänge aus der Arbeitswelt in eine Situation großer Fachkräfteknappheit. Durch den Einsatz digitaler Technik entstünden neue Aufgaben und Anforderungen an Beschäftigte. Einerseits könnten digitale Arbeitsmittel Beschäftigte unterstützen, andererseits könne dieser Wandel mit Belastungen einhergehen. Die großen globalen Krisen Krieg, Pandemie, Klima und demografischer Wandel, so Prof. Behr, führen zu zusätzlichen psychischen Belastungen und weiteren unbesetzten Arbeitsplätzen. In Thüringen existiere jedoch ein umfangreiches Bestreben, diesen Herausforderungen bestmöglich zu begegnen.
In einer spannenden Podiumsdiskussion widmeten sich die Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaftsförderung, Interessenvertretungen sowie Branchen- und Technologie-Netzwerken der Frage „Digitalisierung ohne Fachkräfte?!“. Sie diskutierten die Möglichkeiten, in einer Zeit, in der es an Fachkräften fehlt, den vielfältigen neuen Digitalisierungstrends nachzugehen. Einig waren sich alle Beteiligten darüber, dass die Corona-Pandemie Treiber der Digitalisierung gewesen sei. Zudem sei es essenziell, die Beschäftigten in die Veränderungsprozesse der Unternehmen einzubeziehen. Dr. Jan-Paul Leuteritz vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation IAO erklärte, dass vor allem kleine und mittelständische Unternehmen vor dem Problem stünden, geeignete Partner für die Umsetzung von KI-Projekten zu finden. Sabine Wosche, Geschäftsführerin der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen LEG, erläuterte, dass es in Thüringen umfassende Unterstützungsangebote dafür gebe. Prof. Dörre, Arbeitssoziologe von der Universität Jena, machte sich für ein Recht auf Homeoffice stark – als eine der Lehren aus der Pandemiezeit, in der mobile Arbeit und digitale Kommunikation massiv ausgebaut wurden. Angeregt wurde über das Thema Aus- und Weiterbildung diskutiert, denn, so der allgemeine Konsens, nur mit gut qualifizierten Beschäftigten könne dem Fachkräftemangel entgegengetreten und der digitale Wandel nachhaltig gestaltet werden.
Der Geschäftsführer des ZeTT, Dr. Thomas Engel, und das Team stellten das kostenlose Beratungs- und Qualifizierungsangebot des Zentrums für Unternehmen und Beschäftigte vor. Ein Höhepunkt der Tagung war die Öffnung der Bühne für die Praxis: Mit einem öffentlichen Erfahrungsaustausch sprachen Vertreter dreier Thüringer Unternehmen über ihre Erfahrungen in der betrieblichen Umsetzung von Digitalisierungsprojekten. Zusammen mit dem ZeTT wurden maßgeschneiderte E-Learning-Programme aufgelegt, Logistiklösungen entwickelt und digitale Betriebsversammlungen durchgeführt. Enrico Jakusch, Geschäftsführer der Drehtechnik Jakusch GmbH Saalfeld, beschrieb den Weg in die Digitalisierung als „unendliche Geschichte“, auf die man sich als Unternehmen einlassen müsse, um in Zukunft bestehen zu können. Christian Teichmann, Geschäftsführer des Logistik-Unternehmens NakoRegio GmbH Nobitz, erprobte mit einem Team von Wirtschaftsinformatikern der EAH Jena eine verbesserte Daten- und Informationsversorgung für den Arbeitsalltag von LKW-Fahrern. Torsten Meier, Betriebsratsmitglied der Marelli Automotive Lighting Brotterode, mahnte an, dass alle Menschen im digitalen Wandel mitgenommen werden sollten und beschrieb seine Erfahrungen mit digitalen Mitbestimmungsmöglichkeiten für Beschäftigte. Alle drei Gesprächspartner bestätigten, dass die Digitalisierung nur gelingen könne, wenn ein spielerisches Ausprobieren möglich sei und wenn eine Neugier an den neuen digitalen Möglichkeiten bestünde.
Zum Abschluss der Tagung wurde der Projektbeirat, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der Bundes- und Landesministerien für Arbeit, der LEG, der Verbände, der Bundesagentur für Arbeit sowie der Digitalwirtschaft, vorgestellt und offiziell ins Amt berufen.
Ansprechpartner:
Dr. Thomas Engel, Leiter der ZeTT-Geschäftsstelle
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